..es war einmal ein Artikel über die Pfalz. Leider war der Text der "klettern"-Redaktion zu lang, und so musste etwas weggelassen werden, doch leider war der Text ....... Das Ende vom Lied erschien in der April-Ausgabe 2002 vom Klettern. Oliver Hirtl musste, da Jens Richter gerade Känguru's fangen war, den ursprünglichen Artikel auf einen mageren Rest kürzen. Den Original-Artikel gibt's hier:

Sex in der Pfalz
von Jens Richter

...heißt die Überschrift nur, damit überhaupt jemand weiter liest!

In Wirklichkeit geht's um das Zweitschönste auf der Welt. Und darum, wie lange man sich damit wohl noch in der Pfalz beschäftigen darf. Und - um es vorweg zu nehmen - dieser Artikel will klarmachen, dass an persönlichem Engagement in öffentlichen, anerkannten Arbeitskreisen und Organisationen kein Weg mehr vorbei führt. Dies muss, beruhigenderweise, nicht zwangsläufig mit Arbeit verbunden sein, und das heißt auch nicht, dass man zu jedem irgendwo angekündigten Diskussionsabend rennen muss.

URLAUB!!! Klettern? Das ist zum Beispiel in Wales vom 01.03.01 bis 15.08.01 jeden Jahres weitgehend verboten. An den vom Vogelschutz nicht betroffenen Felsen darf an Wochenenden und in den zweimonatigen Sommerschulferien erst ab 18 Uhr geklettert werden, usw. Aber wenn man das Glück hat zur rechten Zeit dazusein, und es regnet nicht, kann man dort wunderschöne Klettereien am Meer genießen. Wir hatten Glück. Zurück in der Pfalz. Ein Bekannter informiert über den veränderten Zustand und die geltenden neuen Regelungen an luxemburgischen Sandsteinwänden (standardisierte Sicherungsringraster, strenge Zugangsbeschränkungen). Da werden wir wohl nicht mehr hinfahren, schade, es war immer schön dort. Auch aus den Nordvogesen hört man nichts Gutes. Bis auf wenige von den Behörden freigegebene Felsen sind hier die meisten Massive und Türme gesperrt; Entscheidungen werden über die Köpfe der Kletterer hinweg getroffen, denn eine Zusammenarbeit mit Kletterern oder Verbänden seitens der Behörden findet nicht statt. Egal ob Wales, Luxemburg, Vogesen, NRW oder Schwäbische Alp, man könnte diese Liste beliebig erweitern und seitenlang düstere Szenarien beschreiben. Szenarien, die auch die Realität in der Südpfalz einzuholen drohen.
Dass diesen Entwicklungen gezielt entgegengewirkt werden muss, scheint leider immer noch nicht allen klar zu sein. Von dem ‚wie' ganz zu schweigen. Die egoistische Geheimhaltung irgendwelcher "Topspots" aus Angst vor Überfrequentation hilft nicht weiter. Auch sollte mittlerweile kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass eine Publizierung von ausdrücklich gesperrten Gebieten oder Routen immer eine "Promotion" darstellt und somit unsensibel bzw. kontraproduktiv ist.
An einem schönen Freitag Abend treffen sich im Bärenbrunnertal mal wieder eine Handvoll Leute, die sich nichts Aufregenderes vorstellen können, als ihr Wochenende mit einem Diskussionsabend folgender Inhalte zu beginnen: "Wie können wir den immer drohender werdenden Einschränkungen des Klettersports in der Südpfalz begegnen?" Und wie kann man diejenigen erreichen, die es sich im Jetzt bequem gemacht haben, nach der Devise: "In der Pfalz geht's uns doch noch gut, was interessiert mich, was in 10 Jahren ist"? Man muss mal wieder aufmerksam machen, so der Tenor, aufmerksam darauf, dass die klettersportliche Entwicklung im Gebiet eigentlich eine positive ist und dass man im Gegensatz zu anderswo geführten Auseinandersetzungen über Einschränkungen und Felssperrungen hier mit den zuständigen Behörden und Naturschutzverbänden konstruktiv zusammenarbeitet. Nur ist das Häuflein derjenigen Kletterer, die sich hier zuständig fühlen, viel zu klein im Verhältnis zur Masse derjenigen, die es Wochenende für Wochenende für ganz selbstverständlich halten, in der Südpfalz unbehelligt ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu dürfen. Warum das so ist, lässt sich erahnen, wenn man den Diskussionen in den unterschiedlichen "Szenetreffs" lauscht. Es fällt auf, dass viele Kletterer nahezu an einer Art "kletterethischer Schizophrenie" zu leiden scheinen. Einerseits sind da "die Alten". Die haben sich jahrelang in einem Klettergebiet bewegt, in dem die Ringabstände weit, die Tradition sandsteinfarben und die anderen, die man Sonntags draußen traf, gute Bekannte waren. Dann kamen die ersten Kletterhallen, die man zwar zu verachten hatte, deren regelmäßiger Besuch während des langen Winters aber unerhörten Kraftzuwachs mit sich brachte. Die Ringabstände wurden kleiner und größer die Zahl der fremdartige Dialekte sprechenden Besucher aus Gebieten, in denen das Klettern "wegen ein Paar Vögeln" plötzlich verboten war. Heute freut man sich beim Klettern über die vielen Ringe, ist stolz auf den antrainierten Leistungszuwachs und bleibt ansonsten lieber unter sich. "Die Jungen" wollten schon immer einfach nur klettern, so schwer sie konnten. Zusammen mit bärtigen Kniebundhosenträgern am Fels zu sein, die dann vielleicht auch noch die Trittschlingen auspacken, empfinden sie als befremdlich. Organisationen wie die Vereinigung der Pfälzer Kletterer e.V. (PK) oder der Arbeitskreis Klettern und Naturschutz, Südpfalz (AK) stehen für - schlimm genug -, althergebrachte Tradition oder - noch schlimmer - für Einschränkungen und (Magnesia-) Verzicht. Man macht darum lieber einen großen Bogen. Zu Besuch in anderen Klettergebieten zeigt man sich dann jedoch stolz ob der vergleichsweise ungewöhnlichen Freiheit zu hause und berichtet von kühnen, selbst abzusichernden Touren. Sich gemeinsam an den heimischen Tisch zu setzen haben manche - je nach Szene - einfach nicht nötig oder empfindet es als völlig uncool. Dabei steht z.B. die Mitarbeit in der Fachgruppe Sanierung und Sicherheit des AK allen offen. Diese Fachgruppe, stellt die Möglichkeit dar, eine Art "Qualitätssicherung" im Klettergebiet Südpfalz zu betreiben und doch jedem Einzelnen größtmögliche Freiheit zu erstreiten. Wann und wo die jeweils nächste Aktion stattfindet, erfährt man aus den Aushängen in den PK Schaukästen an der Asselsteinhütte und auf dem Bärenbrunnerhof bzw. auf der PK-Homepage unter www.pfaelzer-kletterer.de . Hier treffen sich dann regelmäßig alle, die sich angesprochen fühlen, hier geschieht es, dass Sportkletterer "Alttraditionellen" gegenübersitzen und manchmal auch Falkenschützer denjenigen, die doch nur kurz mal am leider gesperrten Retschel...
Dass auch behördliche Vertreter anwesend und sich nicht zu schade sind, persönlich ihre Standpunkte darzulegen und sich der direkten Auseinandersetzung zu stellen, ist deutschlandweit durchaus nicht alltäglich und eröffnet Möglichkeiten der direkten Einflussnahme auf Entscheidungen, von denen der Klettersport letztendlich abhängt. So ist es z.B. ausschließlich dieser direkten Zusammenarbeit zu verdanken, dass ein von Behördenseite gefordertes absolutes Ersterschließungsverbot bisher nicht umgesetzt werden musste und somit die Liste lohnender Touren erheblich erweitert werden konnte. Von den "Top 60" der Pfalz wurden allein fünfundzwanzig in den letzten drei Jahren erstbegangen, zweifellos wäre das Gebiet ohne z.B. die Mühlenfels-, Retschelgrat- oder Buchholzfels- Touren ärmer. Ausschlaggebend für diese tolerierende Haltung war und ist nicht zuletzt, dass sich die Erschließer in den allermeisten Fällen an das selbstauferlegte Gebot halten, auf eine Modellierung künstlicher Griffe und Tritte zu verzichten. Denn ob der Wandersmann die Sikaschmiererei nun von unten sieht oder nicht spielt keine Rolle mehr. Wichtig ist - lässt man die kletterethischen Aspekte einmal außen vor - dass unsere Spielzeuge von den Behörden als das gesehen werden, was sie nun mal sind: Naturdenkmäler, an denen jede Art künstlicher Veränderungen zu vermeiden ist.
Die Wahl der "Scheißtour des Jahres" hat mittlerweile Tradition; ein zweifelhafter Ruhm für den jeweiligen Erschließer... Diejenigen, die sich neben den Felswarten der PK auf den Arbeitskreissitzungen einfinden, müssen sich auch beim Thema Ersterschließungen und Sanierung alter Ringe zuständig fühlen. Leider sind immer noch hin und wieder Diskussionen nötig, ob man die eine oder andere z.B. zu schlecht betonierte oder einfach zu brüchige Tour abbauen soll bzw. muss und vor allem, wer sich die Arbeit denn nun machen soll. In einem solchen Fall wird immer zuerst an den jeweiligen Erstbegeher herangetreten (soweit dieser mutig genug ist, sich zu erkennen zu geben...) und diesem die Möglichkeit gegeben, sich an der Diskussion und Entscheidungsfindung zu beteiligen.

Die Pfälzer Ringe betreffend gibt es nun aus buntsandigen Landen eine Entscheidung zu verkünden, die in der traditionsorientierten Pfalz fast einen Quantensprung darstellt: Zukünftig werden die typischen dunkelrostigen Ringe durch schicke Bühler ersetzt werden! Der Grund dafür ist vor allem, dass sich die PK in den letzten Jahren zunehmend der Schwierigkeit gegenüber sah, die von ihr gesponserten Ringe überhaupt zu beschaffen, was dazu führte, dass zum Teil recht fragwürdiges Material in den Felsen verankert wurde. Durch die Einführung der neuen, in zwei verschiedenen Schaftlängen erhältlichen Bühler erhofft man sich einen Zugewinn an Sicherheit und die Erlangung eines einheitlichen Standards im Gebiet. Ja ja, es gibt auch schon Gerüstbauösen für 5 DM. Von denen ist auch noch keiner rausgegangen (wenn sie ordentlich betoniert sind...) und dem verräterischen Glanz kann man ja mit etwas Farbe begegnen. Wer aber reich ist und es sich leisten kann, 6 DM gegen einen soliden "PK-Bühler" inklusive Betonieranleitung zu tauschen, der sollte dies zukünftig auch tun! Wo es die "PK-Bühler" gibt erfahrt ihr ebenso wie die aktuellsten News über Felssperrungen und neue Erstbegehungen auf der PK-Homepage unter www.pfaelzer-kletterer.de .

So, und jetzt wieder viel Spaß beim Klettern!


© 2002 PK